Abbas Attar – Ein Meister der Dokumentarfotografie
Abbas Attar, auch bekannt als Abbas, war einer der bedeutendsten Dokumentarfotografen des 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Geboren 1944 in Iran, prägte er die visuelle Berichterstattung über politische Umbrüche, religiöse Bewegungen und Kriege auf der ganzen Welt. Seine Karriere erstreckte sich über sechs Jahrzehnte, in denen er unter anderem für renommierte Nachrichtenagenturen wie Sipa, Gamma und Magnum Photos arbeitete. Abbas war bekannt für seinen einzigartigen Stil, der die menschliche Erfahrung in den Mittelpunkt stellte, anstatt sich auf die Gewalt und Zerstörung zu konzentrieren, die Konflikte oft mit sich bringen.
Frühe Jahre und Aufstieg zum internationalen Fotografen
Abbas wurde 1944 in Khash, Iran, geboren und begann seine Karriere in den 1960er Jahren, als er nach Frankreich zog. Seine ersten großen Aufträge erhielt er in den 1970er Jahren, wo er sich schnell als talentierter und engagierter Fotograf etablierte. Während des Biafra-Krieges und des Vietnamkriegs erlangte Abbas erste internationale Bekanntheit, wobei seine Bilder nicht nur die Brutalität der Kriege dokumentierten, sondern auch die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Für Abbas war es nie das Ziel, bloß Gewalt darzustellen. Wie er selbst sagte: „Krieg beschränkt sich nicht auf Boom-Boom. Kriege sind sehr komplexe Phänomene, und mich interessiert mehr das Warum und das Danach.“ Diese Perspektive hob ihn von anderen Kriegsfotografen ab.
Die Revolution im Iran – Ein Wendepunkt
Einer der wichtigsten Meilensteine in Abbas’ Karriere war seine Berichterstattung über die iranische Revolution von 1979. Obwohl er ursprünglich die Protestbewegung gegen den Schah unterstützte, änderte er seine Meinung, als er die religiöse Radikalisierung und die Gewalt nach der Machtergreifung von Ayatollah Khomeini dokumentierte. In seinem Buch Iran: La Révolution Confisquée (1980) drückte Abbas seine Enttäuschung darüber aus, wie die Revolution „gehijackt“ wurde. Seine Bilder von der Revolution fangen die Intensität und den Schmerz dieser Zeit ein und wurden ikonisch für die Darstellung dieses historischen Ereignisses.
In den folgenden Jahren kehrte Abbas nicht in den Iran zurück und verbrachte viele Jahre im Exil in Paris. Diese Selbstauferlegte Distanz zum Land seiner Geburt war für ihn notwendig, um die Situation objektiv und aus einer gewissen Entfernung zu analysieren. In den 1990er Jahren kehrte er jedoch zurück, um die Entwicklungen nach der Revolution zu dokumentieren, was in seinem Werk Iran Diary 1971-2002 mündete.
Abbas und die Religion: Eine fotografische Reise
Neben politischen Umbrüchen war Abbas auch für seine intensiven fotografischen Untersuchungen religiöser Bewegungen bekannt. Im Laufe seiner Karriere veröffentlichte er mehrere Bücher, die sich mit den großen Weltreligionen auseinandersetzten. Sein Werk Allah O Akbar: A Journey Through Militant Islam (1994) war das Ergebnis einer siebenjährigen Reise durch 29 Länder, in denen er die verschiedenen Facetten des politischen Islams dokumentierte. Abbas interessierte sich nicht nur für den militanten Aspekt, sondern auch für die spirituelle Dimension des Glaubens. Er fotografierte islamische Gemeinden in Ländern wie Afghanistan, dem Irak und dem Iran und versuchte, die tiefen Wurzeln der religiösen Bewegungen zu verstehen.
Abbas setzte sich nicht nur mit dem Islam auseinander. In Faces of Christianity (2000) dokumentierte er christliche Gemeinschaften weltweit, von Jerusalem über Russland bis nach Kuba. Auch hier ging es ihm darum, die spirituelle und soziale Bedeutung der Religion in der modernen Welt zu erfassen. In The Gods I’ve Seen (2016) richtete er seinen Blick auf den Hinduismus und tauchte tief in die mystischen und religiösen Praktiken in Indien, Nepal und Sri Lanka ein.
Der „Eingefrorene Moment“ – Abbas’ Fotografie-Stil
Abbas’ fotografischer Stil war geprägt von der Idee des „eingefrorenen Moments“. Dieser Ansatz bedeutete, dass er nicht nur das Offensichtliche fotografierte, sondern versuchte, den einen Moment einzufangen, der eine ganze Geschichte erzählt. Seine Bilder sind oft durch ihre emotionale Tiefe und die Fähigkeit, den Betrachter zum Nachdenken zu bringen, charakterisiert. In seinen eigenen Worten: „Meine Fotografie ist eine Reflexion, die im Handeln zum Leben erweckt wird und zur Meditation führt. Spontaneität – der eingefrorene Moment – interveniert während des Handelns im Sucher“.
Dieser Ansatz machte Abbas zu einem der herausragendsten Dokumentarfotografen seiner Zeit. Er glaubte fest daran, dass Fotografie mehr sei als bloße Dokumentation, sondern eine Kunstform, die Fragen aufwirft und den Betrachter zum Nachdenken zwingt. „Ich stelle Fragen, ich gebe keine Antworten“, sagte er einmal in einem Interview. „Meine Leser sollten ihre eigenen Antworten finden. Ich gebe ihnen die Beweise, hoffe ich“.
Abbas’ Erbe und Einfluss
Abbas starb 2018 in Paris, aber sein Einfluss auf die Fotografie bleibt bestehen. Seine Werke werden weiterhin in Museen und Ausstellungen weltweit gezeigt, und er hat eine ganze Generation von Fotografen inspiriert. Seine Fähigkeit, komplexe soziale, politische und religiöse Themen visuell zu erfassen, hat Maßstäbe in der Dokumentarfotografie gesetzt. Viele seiner Bilder, insbesondere die von der iranischen Revolution, sind ikonisch geworden und gehören zu den bleibenden visuellen Erinnerungen an diese historischen Ereignisse.
Abbas’ Vermächtnis liegt jedoch nicht nur in seinen Bildern. Er hat auch durch seine Haltung zur Fotografie als journalistische und künstlerische Praxis einen tiefen Einfluss hinterlassen. Für Abbas war die Fotografie nicht nur ein Mittel zur Berichterstattung, sondern eine Möglichkeit, die menschliche Erfahrung zu reflektieren und zu hinterfragen. In einer Zeit, in der Bilder oft auf Sensation abzielen, bleibt Abbas ein Beispiel dafür, wie Fotografen die Komplexität der Welt mit Integrität und Einfühlungsvermögen einfangen können.
Fazit: Abbas Attar – Ein Chronist des Menschlichen
Abbas Attar war mehr als nur ein Fotograf. Er war ein Chronist der menschlichen Erfahrung, ein Künstler, der die Welt durch seine Linse verstand und interpretierte. Seine Arbeiten bieten einen tiefen Einblick in die Geschichte des 20. Jahrhunderts und darüber hinaus, indem sie die großen Fragen nach Macht, Glauben und menschlicher Natur stellen. Abbas’ Erbe lebt in seinen Bildern und den vielen Fotografen weiter, die von seinem Werk inspiriert wurden.